So, meine erste Wanderung auf Neuseeland steht an und ich fühle mich gut ausgerüstet! Etwas zu gut, genau genommen. Denn nun müssen die 19kg Hauptgepäck + 5kg Handgepäck + 1kg Proviant + 3 Liter Wasser, also gute 28 kg komplett auf meinen Rücken… Von früheren Touren weiß ich, dass selbst 20kg ziemlich hart sind und nach 15km meine Füße gequalmt haben. Nun gut, was will man machen, das Zeug muss irgendwie mit. Und für ne Weltreise ist’s halt noch etwas mehr Zeug als für 2 Wochen Sardinien. Da ich skeptisch bin, ob das überhaupt klappt, habe ich mir den Track in so kurze Etappen wie möglich aufgeteilt: 9km+3km+13km+12km mit Höhenunterschied von 200m+250m+600m+300m. An sich gut machbar, nur das Gewicht… Na egal, auf geht’s!
Mein Tag beginnt um 11 Uhr am Hafen von Oban. Erstmal rüber zum DOC Office, meine Great Walk Wandererlaubnis abholen. Die freundliche Dame erzählt mir noch einiges über den Track, dass er recht matschig in der Mitte ist, dass es eine gute Chance gibt, Kiwis (die Vögel! ) zu sehen und dass das Wetter wechselhaft aber etwas besser werden soll. Prima, nun ist es halb 1 und es geht los.
Die ersten 4km gehen noch über Straße, aber bieten schon mal schöne Einblicke in die Vegetation und Buchten der Insel. Schade, dass es so bewölkt ist, mit Sonne wären die Farben wohl noch viel intensiver. Aber auch die kurzen Schauer machen nichts, mittlerweile weiß ich ja, wie alles regendicht zu packen ist. Dann beginnt der Nationalpark und es ist wirklich toll! Der Weg führt zunächst am Strand entlang und dann durch dicht bewachsenen, unglaublich grünen Regenwald, mit riesigen Farnen, Moosen, Palmen, Bäumen und kleinen Wasserläufen. Immer wieder führt der Weg hinunter an kleine Strände, dann wieder durch den Regenwald hoch und zwischendurch an Klippenränder mit atemberaubendem Ausblick auf die Buchten. An einer Stelle konnte ich es kaum fassen, so eine schöne Bucht habe ich noch nie gesehen. Der Weg führte aus dem Regenwald heraus zu einer Lichtung auf den Klippen, die etwa 30m oberhalb einer einsamen Traumbucht mit Palmen lag und einen fantastischen Blick auf die Brandung des Pazifiks bot. Es war der erste richtige Wow-Effekt meiner Reise und ich war überwältigt von der Schönheit der Natur hier. Etwa 15min später das nächste Traumbild, eine winzig kleine Insel voll bewachsen mit Regenwald direkt vor der Küste. Man wollte am liebsten direkt ins Wasser springen und hinschwimmen, aber das lass ich heute mal lieber.. Der Weg führte weiter durch den Regenwald, wobei die Wege ausgesprochen gut laufbar waren. Etwa um 18 Uhr komme ich am ersten Campingplatz an, er liegt auf einem kleinen Grashügel inmitten einer Bucht am Meer, sehr schön! Wir sind nur zu dritt auf dem Platz und ich nun kann mir endlich was Warmes kochen: Instantnudeln mit Beef Flavour. Da ich auch mein Netbook und Handy mithabe, und an dieser Seite der Küste noch Netz zu empfangen ist, kann ich abends sogar noch mit Anke und Christoph chatten – direkt nach Hause ins Wohnzimmer aus einem Zelt in der Wildnis am Ende der Welt..
Der zweite Tag beginnt ganz entspannt, und so war es auch gedacht. Die Etappe heute hat nur 3km, und eigentlich gehen alle direkt weiter zur nächsten Etappe über, aber ich dachte mir, ein Entspannungstag kommt ganz gut zur Vorbereitung auf die nächste lange und hügelige Etappe mit 28kg auf dem Rücken. Und so konnte ich mir noch in Ruhe die 100 Jahre alte Sägewerks-Ruinen um die Ecke anschauen, gemütlich am Strand entlang laufen und über den einzigen Hügel wandern, der bis zur nächsten Bucht “Magnetic Beach” zu überqueren war. Auch hier gab es wieder viel tollen Regenwald und schöne Küstenausblicke auf dem Weg. Am Magnetic Beach war dann der nächste Campingplatz, gerade mal 10m vom Meer entfernt… Und die Sonne kam endlich raus! Da ich schon um 16 Uhr da war, war genug Zeit, sich gemütlich was zu essen zu machen, in die Sonne zu legen, die Gitarre rauszuholen und mein vernachlässigtes Tagebuch weiter zu schreiben.
Am dritten Tag stand die anstrengendste Etappe der Wanderung an. 13km Weg und über 600 Höhenmeter. Sie führt von der Ostküste über die hügelige Mitte auf die Westseite der Halbinsel, auf der der Rakiura-Track verläuft. Als ich mein Zelt und den ganzen Kram in den Rucksack packen wollte, gab es einen Überraschungsbesuch: Ich hörte plötzlich ein Schnaufen hinter mir und als ich mich umdrehte, schaute mich ein Seelöwe neugierig an und nahm interessiert meinen Müllsack unter die Lupe.. Das Tier war recht groß und ich war erstmal perplex, was ich nun tun sollte. Nachdem wir uns ein wenig mißtrauisch beäugt haben, suchte ich schnell meine Kamera um ein Foto zu machen. Aber in dem Moment verlor mein Besucher das Interesse und robbte wieder runter zum Strand und verschwand so still im Meer wie er gekommen war. Dennoch, ein paar Fotos habe ich noch machen können..
Der Weg selber war wieder sehr schön, anfangs ging es viel durch den Regenwald: mehrere Meter hohe Farne, uralte Bäume, und alles mit alten Moosen bewachsen, man kam sich wie in einem riesigen botanischen Garten vor. Nach der Hälfte wurde der Weg aber sehr mühsam, vor allem wegen den vielen matschigen Wegabschnitten, wo man sich Umwege durch den Wald suchen musste, wenn man seine Schuhe hinterher noch wiedererkennen wollte. Auch wurde der Wald eintöniger und nicht mehr so vielseitig wie am Anfang. Dann aber kamen endlich die ersten Blicke auf die Westseite in Sicht und der Campingplatz lag diesmal im Wald, kurz vor einer sehr schönen Bucht mit Hütte (North Arm Hut). Da es mein letzter Campingabend und ein anstrengender Tag war, habe ich mir diesmal die verbleibenden drei Rationen Beef-Instantnudeln gegönnt, hmm.. Aber was mir hier so richtig gefehlt hat, war ein schönes kühles Bier! So hab ich mir dann versprochen, am nächsten Tag nach meiner Rückkehr nach Oban ein Sixpack von den teuren Hopfenkaltschalen hier zu kaufen.
Der vierte und letzte Tag begann mit viel Gekreische direkt hinter meinem Zelt. Ich dachte zunächst, dass sich ein paar Wildscheine in die Haare gekriegt hätten, aber mein Campingkollege meinte später, dass es ein paar Kiwis gewesen wären. Naja, zumindest dachte er es. Hat sich jedenfalls nicht so angehört.. Nach einem kurzen Frühstück (Schokolade, Kippe, Kaffee) führte der Weg dann die Westküste hinunter und wieder an schönen Buchten vorbei. Allerdings konnten sie es nicht mit der Schönheit der ersten Buchten aufnehmen und auch der Wald war weniger vielseitig. Jedoch gab es ein paar Brücken über kleine stille Flüsse, die wunderschöne Spiegelbilder im Wasser geworfen haben, ein Traum für jeden Fotografen! Am späten Nachmittag kam ich dann wieder über geteerte Straßen nach Oban und zu einem glücklicherweise noch geöffneten Supermarkt! Oh, nach 4 Tagen Schokolade, Keksen und Instantnudeln war ich so hungrig, dass ich am liebsten den ganzen Laden leer gekauft hätte.. Aber wegen des nicht ganz reichendes Geldes blieb es dann bei Brot, Eiern, Wurst, Chips und nem Sixpack Bier. Und Marmelade – auf was Süßes hatte ich tierisch Hunger! So freute ich mich dann auf mein erstes Marmeladenbrot seit gefühlten Ewigkeiten. Doch was ist das? Pfui deibel! Wenn ich den in die Finger kriege, der die verrückte Idee hatte, Essig, Salz und Chilis in eine Marmelade zu mischen, ohne das vorne drauf zu schreiben, dann gibt’s was.. So kam ich also wieder nicht zu meinem süßen Marmeladenbrot, dabei sah die Mango-Pfirsich Marmelade so lecker aus!
Am nächsten Morgen ging’s dann um 7 Uhr wieder zum Hafen und mit dem Boot zurück auf die Südinsel, wo mein Bus nach Te Anau wartete. Rückblickend war es eine fantastische Wanderung und selbst mit den 28kg auf dem Rücken ging es erstaunlich gut – hätte ich nicht gedacht! Ein paar Kiwis hätte ich zwar gerne gesehen, aber wie ich nachher erfahren habe, haben selbst diejenigen, die den großen 14-Tages-Marsch um Stewart Island gemacht haben, auch keine gesehen. Na, immerhin hab ich welche gehört..